Arbeiten Sie an sich – richtig (Stärkenorientierung Teil 2)
Autor: Jürg Sutter, Schweiz
Wie erkenne ich meine Stärken?
Auf der Suche nach den Stärken eines Menschen wird immer wieder die Frage gestellt: „Was machst Du gerne?“ Nicht selten gehen wir davon aus, dass man das was man gerne tut auch gut kann. Leider gibt es keine zwingende Korrelation zwischen gern tun und gut tun. Sei es beim Musizieren, beim Sport oder beim Karten spielen; viele tun es mit Freude und Leidenschaft, obwohl es augenfällig ist, dass sie es nie über das Mittelmass hinausbringen werden. Die Behauptung „weil man etwas gut kann, tut man es gern“ trifft schon eher zu. Eine Tätigkeit zu beherrschen macht Freude und führt zu FLOW*.
Bei der Suche nach seinen Stärken lauten die entscheidenden Fragen: „Was fällt mir leicht?“ „Was gelingt mir ohne viel Energie gut?“ Im Zusammenhang mit der Suche nach Stärken lösen diese Fragen bei den Menschen oft Kopfschütteln aus. Warum? Weil den Könnern die Aufgabe leicht fällt, sie die dafür notwendigen Eigenschaften bei sich als fast selbstverständlich betrachten und sie diese dadurch gar nicht so hoch bewerten. „Es macht mir absolut keine Mühe auf Menschen zuzugehen. Das ist für mich normal.“ „Ich habe Spass, ein schwieriges Problem in Angriff zu nehmen und es fällt mir auch immer erstaunlich leicht, eine gute Lösung zu finden.“, sind dafür typische Aussagen. Beim Erstellen der Stärkenprofile stelle ich immer wieder fest, dass an erster Stelle die Fachkompetenz, das Erlernte aufgeführt wird. Ganz am Schluss folgen dann die Eigenschaften und Fähigkeiten, welche dieser Person „leicht von der Hand“ gehen und für sie selbstverständlich sind – die eigentlichen Kern-Kompetenzen.
Stärken stärken machen stark
Erfahrungsberichte von Führungskräften, welche ihre Mitarbeiter stärkenorientiert führen, zeigen deutlich, wie begeisternd es für diese ist, über ihre Stärken sprechen zu dürfen. Sie fühlen sich als Mensch und nicht nur als Arbeitskraft wahrgenommen, was für sie grosse Wertschätzung bedeutet. Die emotionale Verbundenheit zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzen wird gestärkt, was zu einem hohen Committment führt. Die Mitarbeitenden entwickeln mehr Eigenverantwortung und Selbstvertrauen. Die Vorgesetzten erhalten ihrerseits wichtige Informationen und Anhaltspunkte, welche sie für ihre wirkungsvolle Führungsarbeit nutzen können.
Mit der Stärkenorientierung werden sie auch keine Motivationsprobleme haben. Sie verschwinden ganz einfach. Wir brauchen niemanden zu motivieren, dort gut zu sein, wo er/sie gut ist.
Als anspruchsvoll erweist sich das Formulieren von Entwicklungsschritten bei Stärken. Wir sind sehr gut trainiert, mögliche Massnahmen zum Beheben von Schwächen zu beschreiben. Aber bei den Stärken fehlt uns oft die Kreativität. Viele denken dabei in den Dimensionen „noch mehr“, „noch höher“. Wie soll ich mich in einer ausgeprägten Stärke noch verbessern? Ein Weg ist die qualitative Weiterentwicklung einer Stärke. Dazu eigenen sich Fragen, wie „Sind Sie trotz dieser vorhandenen Stärke einmal an Ihre Grenzen gekommen?“ „Wurde Ihnen Ihre Stärke einmal auch als Nachteil bewusst?“ „Sehen Sie noch andere Gebiete, in welchen Sie Ihre Stärke erfolgreich nutzen könnten?“ Deren Beantwortung und konsequente Umsetzung im Arbeitsalltag fördert Ihre Stärken und machen Sie zum „Weltmeister“.
Stärkenorientierung macht stark. Das zeigt sich auch im Umgang mit den vorhandenen Schwächen. Trotz der Konzentration auf Stärken ist tief in uns der Wunsch vorhanden, mögliche Schwächen zu eliminieren. Obwohl uns dies nie vollständig gelingen wird, zeigen meine Erfahrungen, dass Menschen nur dann motiviert und mit Kraft dran gehen, an Ihren Schwächen zu arbeiten, wenn sie sich stark fühlen. Nur wenn sie spüren, dass ihre Stärken erkannt und anerkannt werden, werden sie angstfrei und selbstbewusst an ihrer persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung arbeiten.
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